Monat: März 2015
Die Spur des Drachen
Wir folgen dem Drachen, wir folgen ihm nach.
Was wären wir ohne sein Feuer, ohne seine Flügel,
Was ohne seinen Schwanz, ohne sein Blut?
Nur so lang‘ der Drache stirbt werden wir hier leben.
Das wussten wir schon immer, so wird es sein.
Darum: Es lebe der Drache, es lebe sein Tod!
Am Drachen hängt alles.
Er ist stärker als wir.
Ohne ihn funktioniert nichts.
Ohne ihn würde hier rasch alles leer stehen,
Ohne ihn wären wir nutzlos:
Wir, das Volk der Drachenbesieger.
Nur der Drache kann unser Brötchen verdienen,
Nur der Drache kann Trinker und Esser zu uns ziehen,
Nur der Drache kann Kundschaft und Ladenschilder zum Glühen bringen.
Nur der Drache kann uns vor dem Niedergang retten.
Deshalb dürfen wir nicht schwach werden im Glauben an ihn.
Denn werden wir schwach, so wird’s auch der Drache.
Dann liegt er traurig verwaist in unsren Vitrinen,
Dann blättert sein Blut trist von den Wänden unsrer geschlossenen Betriebe,
Dann weichen seine Pappmachezähne im Regen.
Dann verstumpft sein Blick vom Glotzen
Aus den Türmchen unsrer Casinos,
In die es keinen mehr zieht.
Dann hilft keine neue Drachen-Erlebniswelt mehr,
Keine neue Komfortliegezone am Drachensee,
Kein neues Drachenmuseum:
Dann brauchen wir einen neuen Drachen.
Ein Drache, wie ihn die Welt
Noch nicht so sterben sah.
Keinen Klapperdrache mehr, gefüllt mit alten Maschinen –
Einen Drachen, um den uns Hollywood neidet:
Ein Drache mit Raumfahrttechnik in den Knochen und Megashoweffekten im Blut.
Ein Hightech-Drache, der Monitorhöhlen bewohnt,
Gehegt von hochqualifizierter Drachenführern,
Jederzeit bereit zum Sterben auf Weltniveau:
Mit finsteren Drachenblicken zu dramatischer Drachenmusik,
Mit loderndem Drachenfeuer aus bebendem Drachenschlund,
Mit wild spritzendem Drachenblut nach präziser Todeschoreographie.
Und dann muss er wieder aufstehen und weiterstapfen,
Denn er wird gebraucht: auf dem Schwertkampfplatz und bei der Fladenbäckerey,
Bei Mittelaltergenüssen und regionalen Schmankerln,
An der bemalten Kulissenwand vor dem Mummenschanz,
Wo jedermann zu Ritter und Burgfräulein wird,
Und beim Holzwurmzirkus, wo Jolandolo von Birkenschwamm
Die Kinder nun wieder fragt,
Ob man jetzt endlich anfangen soll
Mit dem Prinzessinnenbefreien und Drachenstechen.
Nach altem Brauch.
Denn nur so lange der Drache stirbt werden wir hier leben.
Das wussten wir immer, so wird es sein.
Tänze und Kränze: 12 Rückspiegel
Zack Bumm!
So zündet das Fass im alten Pulverwerk
Und hallt nach wie Peitschenhiebe
In der grünen, grünen Au.
Die Türme wackeln nicht,
Sie schießen wie
Beohrte, wie beäugte Spargel
Wie Schießstöcke in den Himmel:
Zack Bumm.
Wie in einem Film aus alten Tagen:
Donnerlittchen, es wird heiß!
O Para, o dies, es lockt…
Die Hundsrose lockt.. . .
Sollen wir also türmen? . . .
Mit all dem Pulver im Blut? . . .
Nach Dogville? . . .
Sollen wir?
Aller guten Dinge sind Drei. Legenden sind Leid. Traurig sind aller Guten. Drei Dinge liegen in Dir: Du, Er, Es. Laugt es Dir, dring‘ ein. Alle Tugend luegt. Lange sind Drei in der stillen Runde. Da ging er und die Dinge sind alle irre. Tugend ist der Ring in Galle, den Du in Dir leidest. Runde Galgen sind alle Ringe der Tugend.
(U. Zürn)
. . . Sie ragen seltsam… kragen düster. Wir mauern und lauern.
Was sich da regt, was sich bewegt, . . . belagern wir . . .
. . . Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt
der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland dein goldenes Haar Margarete
er schreibt es und tritt vor das Haus und es blitzen die Sterne er pfeift seine Rüden herbei . . .
Er ruft stecht tiefer ins Erdreich ihr einen ihr anderen singet und spielt . . .
Schwarze Milch der Frühe . . .
Er ruft spielt süßer den Tod … der Tod ist ein Meister aus Deutschland . . . sein Auge ist blau
er trifft dich mit bleierner Kugel er trifft dich genau
ein Mann wohnt im Haus . . .
er spielt mit den Schlangen und träumet der Tod ist ein Meister aus Deutschland . . .
Schwarze Milch der Frühe . . . wir trinken und trinken . . .
(Paul Celan)
O dieses ist das Tier, das es nicht gibt. Sie wußten’s nicht und haben’s jeden Falls – sein Wandeln, seine Haltung, seinen Hals, bis in des stillen Blickes Licht – geliebt.
Zwar war es nicht. Doch weil sie’s liebten, ward
ein reines Tier. Sie ließen immer Raum. Und in dem Raume, klar und ausgespart, erhob es leicht sein Haupt und brauchte kaum
zu sein. Sie nährten es mit keinem Korn,
nur immer mit der Möglichkeit, es sei.
Und die gab solche Stärke an das Tier,
daß es aus sich ein Stirnhorn trieb. Ein Horn. Zu einer Jungfrau kam es weiß herbei – und war im Silber-Spiegel und in ihr.
(R. M. Rilke)
So sterben wir, so sterben wir,
Wir sterben alle Tage,
Weil es so gemütlich sich sterben lässt. Morgens noch in Schlaf und Traum Mittags schon dahin. Abends schon zu unterst im Grabe drin.
Die Schlacht ist unser Freudenhaus. Von Blut ist unsere Sonne. Tod ist unser Zeichen und Losungswort. Kind und Weib verlassen wir – Was gehen sie uns an? Wenn man sich auf uns nur Verlassen kann. . . .
(H. Ball)
Hoorig, hoorig, hoorig isch dia Katz.
Un wenn dia Katz nit hoorig isch
no g’fällt se dene Meidle nit.
Hoorig, hoorig, hoorig isch dia Katz.
(W. Pfeiffle)
Rot winde den Leib,
Brot wende in Leid,
ende Not, Beil wird
Leben. Wir, dein Tod,
weben dein Lot dir
in Erde. Wildboten,
wir lieben den Tod
(U. Zürn)
. . . Wie stehen die Zeichen?
Über den Wipfeln / Wird das Zelt hochgezogen, / In den Kapseln sammelt sich Zeit.
Bald zeigen sich Himmelskörper, / Kreisende Sirenen, / Die Fäden spinnen:
. . . Im Spiel spiegelnder Sphären, / Wandelbare Kosmologien:
. . . Denn alles kreist in diesem Licht / Um diesen Stern.
Die Klapper des Narren
sie dreht sich unermüdlich
schon morgens mit allem Geschrei
sie dreht sich nach dem Wind
wir wenden uns mit die
Klapper des Narren die drehen
wir ohne Unterlaß die Fahnen
heraus und geschwenkt
so heißt es ein Staatsakt gedenken
wir gedenken es innig was
wir gedenken im Frack mit Zylinder
Gamaschen gerollt
die Klapper des Narren
sie ruft uns zum Tanz
wir widerrufen uns immer
es kostet uns nichts
wir singen ein Lied
drei vier mit Marschtritt
wir rasten und rosten
nicht wir kleben auch Tüten und beten
am Abend wir tanzen dazu Allotria
die Klapper des Narren
geht um im Land . . .
(R. D. Brinkmann)
Da stieg ein Baum. O reine Übersteigung! O Orpheus singt! O hoher Baum im Ohr!
. . . Tiere aus Stille drangen aus dem klaren
gelösten Wald von Lager und Genist; und da ergab sich, daß sie nicht aus List und nicht aus Angst in sich so leise waren, sondern aus Hören.
… und ging hervor aus diesem einigen Glück von Sang und Leier und glänzte klar durch ihre Frühlingsschleier und machte sich ein Bett in meinem Ohr.
Und schlief in mir…
Gesang . . . ist nicht Begehr, nicht Werbung . . .
Gesang ist Dasein.
Für den Gott ein Leichtes.
Wann aber sind wir?
(R. M. Rilke)