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Mohnaugen, Camouflagebäume und allerlei Türen
Natürlich war mir und meiner Performancegruppe bewusst, dass man in UK in der ersten Novemberwoche gefallenen Kriegsteilnehmern gedenkt. Deshalb machten ja auch wir uns auf den Weg nach England. Vom Ausmaß, welches dieses Gedenken annimmt, waren wir dann aber doch überrascht: Von Straßen und U-Bahnen, in denen man sich vorkam wie in einem wogenden Kunstblumenfeld. Überall Mohnaugen, geheftet an Jacken, Blusen, Jacketts, gefertigt aus Papier, Kunststoff, lackiertem Metall. Vor Westminster Abbey dann über hundert hundert Gedenkbeete, umzäunt von Kreuzen mit angehefteten Mohnblumenimitaten: gekreuzigter Mohn. Man las
„IN MEMORY OF THE FALLENS OF THE ARMY FILM AND PHOTO UNIT“
oder
„IN MEMORY OF THE FALLEN OF THE ARMY CATERING CORPS“

Spätestens hier begriff man, dass das Kriegsgedenken in England nicht zuletzt deshalb ein ganz anderes Ausmaß als in Deutschland annimmt, weil es eben nicht nur einer Erinnerungsakt ist, sondern auch bedeutet, sich hinter die gegenwärtigen Kriege Großbritanniens und all diejenigen, die sie austragen, zu stellen. Was den durch die Straßen wogenden Poppies nochmals einen anderen Beigeschmack verleiht.
Die Kriege der Vergangenheit und Gegenwart zu verlebendigen ist auch der Auftrag des Imperial War Museums. Insbesondere die neue neue Ausstellung zum Ersten Weltkrieg wird da zur Leistungsschau aktueller Ausstellungstechnik. Da durchläuft man interaktive Schützengräben, in denen Panzer, Flieger und Maschinengewehre lauern, macht Bekanntschaft mit Camouflagebäumen, stolpert dann schon wieder ungewollt in die nächste Audioglocke, während neben einem das Abhorchen feindlicher Stollen nachgespielt werden kann. Und das alles natürlich begleitet von Schützenfeuersound nonstop. Für Kinder gibt’s einen Multimedia-Spieltisch, wo u. a. das Auffüllen von Munition mit Pulver großen Spaß zu machen scheint. Und wer dann noch etwas vom Ersten Weltkrieg mit nach Hause nehmen will, hat beim Shop etwa die Auswahl zwischen einer Kriegsspardose in Panzerform und dem Faksimile eines Schützengraben-Kochbuchs. Also: Warum nicht Trench-Cooking als Remembrance Programm, wenn man von der Paleo-Diät eh Mal wieder die Nase voll hat?

Unser Beitrag zum Kriegsgedenken, das Performance Programm „Poetic Battlefields – The First World War in Poetry“, arbeitete da mit etwas einfacheren Mitteln – vier Stimmen, etwa 35 Gedichte, verarbeitet zu 3 Performances, eine Powerpoint-Präsentation und ein paar kleine Instrumente waren unser ganzes Tourgepäck. Dennoch kam die Performances an allen Auftrittsorten – an der Queen Mary University London, am Magdalene College Cambridge und am St. Hilda’s College Oxford- sehr gut an und das mit beständig steigenden Zuschauerzahlen (hier Fotos von den Proben).

Und wir freuten uns sehr über das große Interesse, das man unserem Programm und der Thematik entgegenbrachte. Freuten uns über viele interessante Begegnungen und Eindrücke. Waren beeindruckt von den Räumlichkeiten, in denen wir untergebracht wurden, von Ritualen, deren wir teilhaftig wurden – so etwa ein Formal Dinner bei Kerzenschein. Da fühlte man sich ein wenig so wie beim ersten Mal ministrieren bei der Ostermesse: die rituelle Feierlichkeit, die Überfülle alter Bräuche und strenger Regeln.

Und waren erstaunt auch über so manche anderen englischen Eigenheiten. Etwa über englische Türen. Die ersten zwei Nächte schliefen wir in einem als Porter’s Lodge erbauten Gebäude am Eingang zu einem Park, der von einem durch Kolonialgeschäfte reich gewordenen Privatmann angelegt worden war. Wer zu dem Häuschen kam musste dort absatteln bevor er den Park betreten durfte. Heute spielt man (nachdem man wohl auf ähnliche Weise reich geworden ist) hinter der Parkmauer Golf. Wir schliefen in dem ehemaligen Porter’s Lodge in einem kleinen Dachzimmer, das eine winzige Hobbittür zu einem weiteren Schlafzimmer aufwies, durch die man durchkriechen musste. An den Colleges öffneten sich uns dagegen plötzlich sehr große Türen. Türen, die für die breite Öffentlichkeit verschlossen sind, herrschaftliche Räume, wunderbare Bühnen. Und dann wieder nächtigte man auf einem Hausboot, begrüßt nur von einem Zahlencodeschloss und mehreren Katzen, stand mit einem Handy mit leerem Akku vor den verschlossenen Türen eines kamerabewachten Studentenwohnheims, stand mitten in der Nacht vor dem eigenwilligen Schloss eines Hostels und kam nicht hinein. Mit der Zeit begriff man da, dass die Szene bei Alice in Wunderland, in welcher Alice sich in einem Raum mit entweder zu großen oder zu kleinen Türen vorfindet und dann die eigene Größe verändern muss, um durch die Türen zu passen, im Kontext englischer Gegebenheiten durchaus nicht dem Bereich der Phantastik zugeordnet werden muss. Sie spiegelt nur wieder, was einem hier allerorten begegnet: Seltsame Türen, die einen ausschließen, einlassen oder vor eindeutige Entscheidungen stellen. Wie etwa die Türen im Innenhof der Bodleian Library (man beachte das Schild „Private“ an der Tür zur „Schola Logicae“).

Oder der Durchgang zum Pitt Rivers Museum: aus dem glasüberwölbten Stahlwald der Natur, der u. a. auch Alices Dodo beherbergt, führt eine unscheinbare Pforte in eine Wunderkammer, welche die ganze Menschenwelt in Kästen mit Kategorien wie etwa „Locks and Keys“, „Treatment of the Dead“, „Recycling“ oder „Featherwork“ einfängt. Auf der einen Seite dieser Pforte sind Knochen genau zu klassifizierende Beweisstücke der einen oder anderen Lehre von der Natur, sind Federn Forschungsgegenstände. Auf der anderen Seiten werden Knochen zu Instrumenten, Federn zu magischen Instrumenten: Türen, die sich schließen, Türen, die sich öffnen.

„We are the slaves of the guns“
„… Serfs to the dominant things; / Our are the eyes and the ears / And the brains of their messagings.“
So schreibt Gilbert Frankau 1915 in „The Voice of the Slaves“. Es ist eines der über 30 Gedichte, das ich gemeinsam mit Xaver Römer, Julia Trompeter, Iwona Mickiewicz und Carolin Bohn nächste Woche in London, Cambridge und Oxford in Szene setzen werde.
Genauere Angaben zu unseren Auftritten und eine Kurzbeschreibung unseres Lyrikperformance-Programms „POETIC BATTLEFIELDS – The First World in Poetry“ sind auf der Internetseite des Goethe Instituts London zu finden:
https://www.goethe.de/ins/gb/de/ver.cfm?fuseaction=events.detail&event_id=20593217
Kriegsorangen
Der Rottweiler Narr reicht Pralinen, der Oberndorfer Narr Orangen.
So viel Ordnung muss sein, so schreiben’s die lokalen Narrenzünfte vor. Und verstehen keinen Spaß, wenn da was durcheinandergeht.
Dabei sind die südlichen Früchte durchaus nicht nur ein Symbol der leichten Lebensart und des Genusses. In Oberndorf erinnern sie an Waffengeschäfte. Denn die Orangen kamen folgendermaßen zur Oberndorfer Fasnet: 1887 bis 1914 weilte eine türkische Delegation in Oberndorf. War das osmanische Reich doch ein Großabnehmer der Oberndorfer Waffenfabrik Mauser. Hunderttausende Gewehre verkaufte man. Kam dann eine türkische Delegationen in der Stadt, so sollte sie sich heimisch fühlen. Dazu errichtete man auch ein Gebäude im orientalischen Stil, den so genannten „Türkenbau“. Die osmanischen Abgesandten zeigten sich dankbar und brachten Kostbarkeiten aus ihrer Heimat: Orangen, damals in Deutschland noch äußerst kostbare Leckereien. Diese verteilten sie (ebenso wie Feigen) bei der Oberndorfer Fasnet. Der Brauch des Orangenausteilens hielt sich. Das Waffengeschäft auch.
Ob nun auch die Rottweiler Pralinen Tauschware oder Freundschaftsgeschenk für Rottweiler Schießpulver war, das zu Ende des 19. Jahrhunderts kaum weniger bekannt war als die Oberndorfer Mauser – wer weiß. Die Geschichte birgt ja immer wieder Leckereien, mit denen man kaum rechnet.
Jedenfalls hat sich aber auch der Rottweiler Wehrhaftigkeit inzwischen mediterrane Lebensfreude beigesellt. So stehen vor dem Kraftwerk, welches einst die Rottweiler Pulverfabrik mit Energie versorgte, nun Palmen und Palmenimitationen. Im Inneren des Gebäudes brummen nicht mehr Turbinen, da feiern jetzt Menschen und Firmen in südländischer Ausgelassenheit unter grünen Wedeln.
Währenddessen erhebt sich über dem Rottweiler Neckartal inzwischen der ThyssenKrupp-Testturm, in dem ab 2016 Hochgeschwindigkeitsaufzüge für die große weite Welt getestet werden sollen. Irgendein kluger Mensch von ThyssenKrupp, im Übrigen ja auch traditionsreiches Rüstungsunternehmen, hat den Rottweilern den (Palmen)Floh ins Ohr gesetzt, dass in Zukunft nun Scheichs und Milliardäre in Rottweil Stammgäste sein werden, um hier Aufzüge für ihre zukünftigen Hochhäuser zur Probe zu fahren. Eine seltsame Geschichte, etwas märchenhaft. Aber die Rottweiler scheinen einen Narren daran gefressen zu haben. Und so wird sie weiter kolportiert, nicht zuletzt von Lokalpolitikern. Vielleicht planen manche ja auch schon einen Willkommensbau, vielleicht ein Rottweiler Palm Jumeirah, damit sich Scheich-Delegationen auch heimisch fühlen.
Ob die Herren Scheichs dann wirklich kommen und auch etwas Schönes für Rottweil zurücklassen – etwa Dattelpralinen, die der Rottweiler Narr dann in Ehren halten kann – oder ob man sich auf der Aussichtsplattform des Turms unter Plastikpalmen mit selbst mitgebrachten Pralinen und dem Blick auf die Alb trösten muss – Hu Hu Hu!
Auf dem Weg ins Land der blauen Elefanten
Auf dem Weg ins Land der blauen Elefanten:
Dorthin, wo die Krummschwerter seit Jahrhunderten auf tradierte Weise in den Schädeln stecken und sich stetig weiter reproduzieren:
Per Mirakelbücher, Berührfleckerl und wachsamen Augen, die immer wieder aus dem Rahmen heraustreten
Um eine Runde zu tanzen, fidel wie eh und je, egal welches Zeitalter da kommen mag.
Nur ein paar Bleifüße entfernt: schlecht belegte Vorkommen von Pech & Blende, schnell wieder verschüttet und gut verpackt
Während auf dem Weg zu den Horchposten, so liest man, nur noch Klangpfade verlaufen.
Von Torhütern und Totempflanzen
Womit hat man es hier zu tun?
Mit dem hundertarmigem Torhüter einer mexikanischen Schnapsbrennerei? Mit einem als Pflanze getarnten Spähposten von einem anderen Stern? Die offizielle Auskunft lautete: eine Aloe.
Diese Aloe bewachte die Romanwerkstatt, die in den letzten Junitagen Edenkoben stattfand, vier Tage lang als eine Art Totempflanze der Schriftstellerzunft: ausdauernd und hartwandig, vielarmig sich verzweigend, saftreich aber stachelig. Und wegen letzterer Eigenschaft dann an einigen spitzen Enden mit Weinkorken bestückt.
Dass Aloe und Mensch und insbesondere Aloe und Schreibende letztlich nicht so viel trennt, als man sich manchmal denken mag, sondern dass sich zwischen beiden Spezies eine sehr gute Symbiose ergeben kann, zeigt dieses Bild.
Und ich will Mal behaupten, dass beide Spezies während der Schreibwerkstattzeit ihren Job ganz gut gemacht haben und eine ziemlich gute Zeit im idyllischen Herrenhaus hatten. Wie auch dieses Foto beweist, bei dem die Kraft der Aloe die Schreibwerkstatt bereits gut durch die Gruppenlesung geleitet hatte.
Im Auge der Tullnerfelder Sonne
Manchmal treffen die Bilder erst ein bisschen später ein, was verschiedene Gründe haben kann.
Zum Beispiel verschlungene Bildpfade mit ganz besonderen Übermittlungskonditionen. Oder Bilderkammern mit besonderen Zeitlogiken. Oder Bildbrechungsflächen, die das, was sie spiegeln, so seltsam zurückwerfen, dass es der Betrachter erst wesentlich später wieder richtig zusammenpuzzeln kann.
All das kann einem im Tullnerfeld leicht passieren, wie ich vor ein paar Wochen erfuhr. Denn dort ploppen die wundersamen Eigenwelten an allen Ecken auf wie indisches Springkraut, sobald man sich erst Mal ein bisschen ins Dickicht des Landes begibt.
Zum Empfang in einem gastlichen Haus wird man im Tullnerfeld etwa gern von einem gigantischen Solargrill begrüßt, der einem sogleich ein zerbrochenes Bild seiner Selbst, garniert mit verschiedenen Haus- und Landschaftsdetails serviert. Hierauf wird einem dann gerne die Gesellschaft verschiedenster alter Automaten angeboten, funktionaler und dysfunktionaler, die einem nach Möglichkeit Musik, Erdnüsse und Kaugummis zu servieren bemüht sind und die bevorzugt in mehrgeschossigen Wintergärten hausen. Wozu wohl dort eine gläserne Brücke zu einem frei schwebenden Spiegel führt, mag man sich fragen. Und ob das ganze wohl nur ein Drogentraum aus den 60er-Jahren ist. Aber nein: das ist das Tullnerfeld.
… Wo man dann etwa weiter in ein Haus stolpert, das scheinbar ausschließlich dem Zweck dient, alle möglichen Dinge zu beselen, indem man sie seltsame Formen annehmen lässt, wozu tausenderlei Werkzeuge und Gerätschaften, die das Haus bewohnen, dienen, diese aber wiederum auch nicht vor dem Schicksal, dass sie den anderen Dingen zukommen lassen, gefeit sind. Denn auch sie können sich rasch durch die Einwirkung wiederum anderer Dinge verwandeln. Und so geht es weiter in dem Reigen. Und die Dinge bleiben mit diesem ihrem seltsamen Gebahren dann auch nicht einfach im Haus, nein, sie drängen aus dem Haus heraus und bevölkern das Tullnerfeld, wo dieser fortlaufende Verwandlungsprozess dann bald auch noch wer weiß noch was alles ergreifen mag.
Andere innerhäusliche Eigenwelten deuten sich dagegen ganz dezent an und lassen einem die Wahl, ob man sie nun wirklich kennenlernen möchte oder nicht. Doch wer kann schon der charmanten Einladung eines alleinstehenden Pfluges wiederstehen?
Und so becircen einen die seltsamen Welten des Tullnerfeldes auf Schritt und Tritt. Wohl dem, der Ihnen begegnen und sie kennenlernen darf. Und wohl dem, der für alle Fälle dann aber auch ein gutes Rad bei sich hat, um ihnen notfalls auch wieder rasch zu entkommen.
Für die kleine Entspannungspause beim Kreuzstich
Wer Kreuzstich im Hochleistungstakt ausführt, der braucht zwischendrin auch Mal eine kleine Entspannungspause, hat sich das „Excellence in Ebensee“-Team gedacht und diesen Prototypen des Kreuzstich-Egoshooters entworfen:
Der Shooter ist in seiner Beta-Version erst Mal nur mit den basalen Funktionen und einem einzigen, zugegebener Maßen noch etwas simplen Level ausgestattet. Dafür kann er in dieser Form auch jederzeit leicht zu Hause nachgebastelt werden. Wir arbeiten jedoch unter Hochdruck an Erweiterungslevels mit Schnellkissenwechslern, Nebelmaschinen und erweitertem Storytellung.
Was das Performance- und Ausstellungsprojekt „Excellence in Ebensee“, das ich gemeinsam mit Fabian Faltin, Hanna Piksarv und Zuzana Gallikova beim Festival der Regionen erarbeitet habe, jenseits dieser Entspannungspausen gemacht hat, davon mehr hier http://fdr.at/fdr_project/excellence-in-ebensee-eine-performance-tour-durch-die-welt-der-spitzenleistungen/ und hier http://www.nachrichten.at/nachrichten/kultur/Am-Ende-donnert-die-Internationale;art16,1863289
„Am Horizont steht der Kanonendonner . . .“ NRW- und England-Tour mit „Thomas Kling und die lyrischen Schlachten des Ersten Weltkriegs“
Gemeinsam mit Xaver Römer, Julia Trompeter, Iwona Mickiewicz und Carolin Bohn gehe ich mit der Lyrikperformance „Thomas Kling und die lyrischen Schlachten des Ersten Weltkriegs“ auf Tour:
Übernächste Woche werden wir am Dienstag, 14.4., im Heine Haus Düsseldorf auftreten, am Mittwoch, 15.4., im Literaturhaus Köln, und am Freitag, 17.4., im Rathaussaal Münster.
Anfang November folgen drei Auftritte in England: am 3.11. am Queen Mary College London, am 4.11. am Magdalene College Cambridge und am 5.11. im Jacqueline de Pré Building Oxford.
Mehr Informationen zum Programm sind hier zu finden, Genaueres zu den einzelnen Auftritten unter Termine.
Die Spur des Drachen
Wir folgen dem Drachen, wir folgen ihm nach.
Was wären wir ohne sein Feuer, ohne seine Flügel,
Was ohne seinen Schwanz, ohne sein Blut?
Nur so lang‘ der Drache stirbt werden wir hier leben.
Das wussten wir schon immer, so wird es sein.
Darum: Es lebe der Drache, es lebe sein Tod!
Am Drachen hängt alles.
Er ist stärker als wir.
Ohne ihn funktioniert nichts.
Ohne ihn würde hier rasch alles leer stehen,
Ohne ihn wären wir nutzlos:
Wir, das Volk der Drachenbesieger.
Nur der Drache kann unser Brötchen verdienen,
Nur der Drache kann Trinker und Esser zu uns ziehen,
Nur der Drache kann Kundschaft und Ladenschilder zum Glühen bringen.
Nur der Drache kann uns vor dem Niedergang retten.
Deshalb dürfen wir nicht schwach werden im Glauben an ihn.
Denn werden wir schwach, so wird’s auch der Drache.
Dann liegt er traurig verwaist in unsren Vitrinen,
Dann blättert sein Blut trist von den Wänden unsrer geschlossenen Betriebe,
Dann weichen seine Pappmachezähne im Regen.
Dann verstumpft sein Blick vom Glotzen
Aus den Türmchen unsrer Casinos,
In die es keinen mehr zieht.
Dann hilft keine neue Drachen-Erlebniswelt mehr,
Keine neue Komfortliegezone am Drachensee,
Kein neues Drachenmuseum:
Dann brauchen wir einen neuen Drachen.
Ein Drache, wie ihn die Welt
Noch nicht so sterben sah.
Keinen Klapperdrache mehr, gefüllt mit alten Maschinen –
Einen Drachen, um den uns Hollywood neidet:
Ein Drache mit Raumfahrttechnik in den Knochen und Megashoweffekten im Blut.
Ein Hightech-Drache, der Monitorhöhlen bewohnt,
Gehegt von hochqualifizierter Drachenführern,
Jederzeit bereit zum Sterben auf Weltniveau:
Mit finsteren Drachenblicken zu dramatischer Drachenmusik,
Mit loderndem Drachenfeuer aus bebendem Drachenschlund,
Mit wild spritzendem Drachenblut nach präziser Todeschoreographie.
Und dann muss er wieder aufstehen und weiterstapfen,
Denn er wird gebraucht: auf dem Schwertkampfplatz und bei der Fladenbäckerey,
Bei Mittelaltergenüssen und regionalen Schmankerln,
An der bemalten Kulissenwand vor dem Mummenschanz,
Wo jedermann zu Ritter und Burgfräulein wird,
Und beim Holzwurmzirkus, wo Jolandolo von Birkenschwamm
Die Kinder nun wieder fragt,
Ob man jetzt endlich anfangen soll
Mit dem Prinzessinnenbefreien und Drachenstechen.
Nach altem Brauch.
Denn nur so lange der Drache stirbt werden wir hier leben.
Das wussten wir immer, so wird es sein.
Tänze und Kränze: 12 Rückspiegel
Zack Bumm!
So zündet das Fass im alten Pulverwerk
Und hallt nach wie Peitschenhiebe
In der grünen, grünen Au.
Die Türme wackeln nicht,
Sie schießen wie
Beohrte, wie beäugte Spargel
Wie Schießstöcke in den Himmel:
Zack Bumm.
Wie in einem Film aus alten Tagen:
Donnerlittchen, es wird heiß!
O Para, o dies, es lockt…
Die Hundsrose lockt.. . .
Sollen wir also türmen? . . .
Mit all dem Pulver im Blut? . . .
Nach Dogville? . . .
Sollen wir?
Aller guten Dinge sind Drei. Legenden sind Leid. Traurig sind aller Guten. Drei Dinge liegen in Dir: Du, Er, Es. Laugt es Dir, dring‘ ein. Alle Tugend luegt. Lange sind Drei in der stillen Runde. Da ging er und die Dinge sind alle irre. Tugend ist der Ring in Galle, den Du in Dir leidest. Runde Galgen sind alle Ringe der Tugend.
(U. Zürn)
. . . Sie ragen seltsam… kragen düster. Wir mauern und lauern.
Was sich da regt, was sich bewegt, . . . belagern wir . . .
. . . Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt
der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland dein goldenes Haar Margarete
er schreibt es und tritt vor das Haus und es blitzen die Sterne er pfeift seine Rüden herbei . . .
Er ruft stecht tiefer ins Erdreich ihr einen ihr anderen singet und spielt . . .
Schwarze Milch der Frühe . . .
Er ruft spielt süßer den Tod … der Tod ist ein Meister aus Deutschland . . . sein Auge ist blau
er trifft dich mit bleierner Kugel er trifft dich genau
ein Mann wohnt im Haus . . .
er spielt mit den Schlangen und träumet der Tod ist ein Meister aus Deutschland . . .
Schwarze Milch der Frühe . . . wir trinken und trinken . . .
(Paul Celan)
O dieses ist das Tier, das es nicht gibt. Sie wußten’s nicht und haben’s jeden Falls – sein Wandeln, seine Haltung, seinen Hals, bis in des stillen Blickes Licht – geliebt.
Zwar war es nicht. Doch weil sie’s liebten, ward
ein reines Tier. Sie ließen immer Raum. Und in dem Raume, klar und ausgespart, erhob es leicht sein Haupt und brauchte kaum
zu sein. Sie nährten es mit keinem Korn,
nur immer mit der Möglichkeit, es sei.
Und die gab solche Stärke an das Tier,
daß es aus sich ein Stirnhorn trieb. Ein Horn. Zu einer Jungfrau kam es weiß herbei – und war im Silber-Spiegel und in ihr.
(R. M. Rilke)
So sterben wir, so sterben wir,
Wir sterben alle Tage,
Weil es so gemütlich sich sterben lässt. Morgens noch in Schlaf und Traum Mittags schon dahin. Abends schon zu unterst im Grabe drin.
Die Schlacht ist unser Freudenhaus. Von Blut ist unsere Sonne. Tod ist unser Zeichen und Losungswort. Kind und Weib verlassen wir – Was gehen sie uns an? Wenn man sich auf uns nur Verlassen kann. . . .
(H. Ball)
Hoorig, hoorig, hoorig isch dia Katz.
Un wenn dia Katz nit hoorig isch
no g’fällt se dene Meidle nit.
Hoorig, hoorig, hoorig isch dia Katz.
(W. Pfeiffle)
Rot winde den Leib,
Brot wende in Leid,
ende Not, Beil wird
Leben. Wir, dein Tod,
weben dein Lot dir
in Erde. Wildboten,
wir lieben den Tod
(U. Zürn)
. . . Wie stehen die Zeichen?
Über den Wipfeln / Wird das Zelt hochgezogen, / In den Kapseln sammelt sich Zeit.
Bald zeigen sich Himmelskörper, / Kreisende Sirenen, / Die Fäden spinnen:
. . . Im Spiel spiegelnder Sphären, / Wandelbare Kosmologien:
. . . Denn alles kreist in diesem Licht / Um diesen Stern.
Die Klapper des Narren
sie dreht sich unermüdlich
schon morgens mit allem Geschrei
sie dreht sich nach dem Wind
wir wenden uns mit die
Klapper des Narren die drehen
wir ohne Unterlaß die Fahnen
heraus und geschwenkt
so heißt es ein Staatsakt gedenken
wir gedenken es innig was
wir gedenken im Frack mit Zylinder
Gamaschen gerollt
die Klapper des Narren
sie ruft uns zum Tanz
wir widerrufen uns immer
es kostet uns nichts
wir singen ein Lied
drei vier mit Marschtritt
wir rasten und rosten
nicht wir kleben auch Tüten und beten
am Abend wir tanzen dazu Allotria
die Klapper des Narren
geht um im Land . . .
(R. D. Brinkmann)
Da stieg ein Baum. O reine Übersteigung! O Orpheus singt! O hoher Baum im Ohr!
. . . Tiere aus Stille drangen aus dem klaren
gelösten Wald von Lager und Genist; und da ergab sich, daß sie nicht aus List und nicht aus Angst in sich so leise waren, sondern aus Hören.
… und ging hervor aus diesem einigen Glück von Sang und Leier und glänzte klar durch ihre Frühlingsschleier und machte sich ein Bett in meinem Ohr.
Und schlief in mir…
Gesang . . . ist nicht Begehr, nicht Werbung . . .
Gesang ist Dasein.
Für den Gott ein Leichtes.
Wann aber sind wir?
(R. M. Rilke)





































